Ist es möglich, im Schlaf zu lernen und wie beeinflusst der Schlaf die Lernfähigkeit und Gedächtnisleistung? Schlaf hat einen sehr großen Einfluss auf unser Gehirn, das Lernen und unser Gedächtnis. Es lohnt sich also, weiterzulesen.
Inhaltsüberblick
„Lernen im Schlaf – Noch einmal eine Nacht darüber schlafen“
]Im Laufe des Tages ist unser Gehirn unglaublich vielen Reizen ausgesetzt. Es sieht Neues, liest Neues, hört Neues und bekommt neue Fähigkeiten anhand unserer motorischen Fertigkeiten vermittelt. Dies ist ein fortlaufender Prozess. Jede Millisekunde erhält das Gehirn neue Informationen und muss diese verarbeiten.
Hast du dich schon einmal gefragt, wann das Gehirn all diese Reize verarbeitet? Während wir schlafen!
Der Schlaf ist für unseren Körper und unser Gehirn mit der Zeit ein stetig wiederkehrender Prozess ohne viel Neues von außen. Wenn du nun zwischen sechs und zehn Stunden in deinem Bett liegst, kann das Gehirn das tun, was es schon den ganzen Tag über tun wollte:
Alle Informationen des Tages aus dem Zwischenspeicher lösen und sortieren
Dazu werden Verbindungen zwischen unseren Nervenzellen entweder gelöst (das war unwichtig) oder gefestigt (das habe ich jetzt schon öfter gelesen, das ist wichtig) und gehen in das Gedächtnis über. Dies geschieht über 2 Schritte:[
Schritt 1: Waschen des Hippocampus“
Der Hippocampus ist eine Region in deinem Gehirn, genauer gesagt befindet er sich im Großhirn. Die Aufgabe des Hippocampus ist es, Informationen des Tages zwischen zu speichern. Dabei kümmert sich der Hippocampus vor allem, aber nicht nur, um faktenbezogene Informationen.
Der Hippocampus hat nur eine bestimmte Kapazität und kann nicht grenzenlos Informationen aufnehmen. Deshalb entleert er sich in der Nacht. Schlafforscher sprechen oft davon, dass sich das Gehirn wäscht. Würde es sich nachts nicht waschen, wäre es schon nach kürzester Zeit überfordert und könnte keine neuen Informationen mehr aufnehmen und langfristig verarbeiten.
Dieser Vorgang findet im Schlaf statt, genauer gesagt in den Nicht-REM-Schlafphasen. Diese Phasen findet vor allem zu Beginn und am Ende des Schlafes statt, wenn sich der REM-Schlaf und Leichtschlaf abwechseln. Es ist daher falsch zu glauben, dass nur die Tiefschlafphasen wichtig sind. Auch die Leichtschlafphasen haben eine große Bedeutung für deine Gesundheit.
Nur bei ausreichendem Schlaf kann der Hippocampus sich vollständig leeren, damit du am nächsten Tag viele neue Informationen aufnehmen kannst. Schläfst du also oft zu wenig, stehst du morgens nicht mit den optimalen Voraussetzungen auf, Neues aufzunehmen.
Was passiert, wenn sich der Hippocampus nicht vollständig leeren kann? Nun, dann kannst du entweder nicht mehr so viel Neues am Tag aufnehmen oder die noch im Hippocampus verfügbaren Informationen werden überschrieben. Klingt nicht so gut, oder?
Schritt 2: Übertrag vom Hippocampus in den Neocortex“
Hast du den Hippocampus am Tag über mit Informationen gefüllt und den Waschvorgang in der Nacht gestartet, geht dieses Wissen natürlich nicht verloren. Du möchtest ja, dass es in das Gedächtnis übergeht und in den kommenden Tagen, Wochen und Jahren auf Wunsch abrufbar ist.
Dazu wandert das faktenbezogene Wissen aus dem Hippocampus in der Nacht in den Neocortex. Auch dieser Prozess findet außerhalb des REM-Schlafes statt. Der Neocortex befindet sich ebenfalls in der Großrinde deines Gehirns.
Hinter dem Spruch „Ich lerne im Schlaf“ ist also sehr viel Wahres dran. Wissenschaftler gehen sogar so weit und sagen, dass ohne Schlaf gar kein Lernen möglich sei, einfach weil dieser Prozess der Übertragung in das Gedächtnis am Tage nicht stattfindet.
Zwischenfazit
Ausreichend Schlaf ist nicht nur nötig, um das am Tag Gelernte zu speichern, sondern vor allem, um am nächsten Tag in der Lage zu sein, Neues aufzunehmen. Schlaf bereitet das Gedächtnis damit auf das Lernen vor.
Nicht nur Vokabeln – Lernen von motorischen Fähigkeiten
Nicht nur das Lernen und Abrufen von Vokabeln profitieren von einem ausreichenden und erholsamen Schlaf. Du lernst im Schlaf mehr als reines Faktenwissen. Auch motorische Fähigkeiten verbessern sich über Nacht. Dazu gehört das Lernen eines Instruments, einer neuen Sportart, aber auch Fahrrad- und Autofahren. Alles, was für unser Gehirn neu ist, wird besser verarbeitet, wenn wir anschließend ausreichend schlafen.
Das ist keine vage These, die von Eltern genutzt wird, um ihre Kinder zu mehr Schlaf zu animieren. Viele spannende Studien haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt, deren Ergebnisse nun vor allem in der Medizin und im Sport von hoher Bedeutung sind.
Du übst am Abend ein schwieriges Musikstück auf deinem Instrument und es klappt partout nicht. Etwas frustriert gehst du schlafen und probiert es am nächsten Morgen erneut: Du kannst die schwierige Stelle des Musikstücks nun spielen. Was ist über Nacht passiert?
Genau dieses Beispiel war Anlass und Gegenstand zentraler Forschungsarbeiten des Schlafforschers Matthew Walker rund um die Weiterentwicklung motorischer Fähigkeiten, wenn wir schlafen. Dabei haben die Forscher unter anderem zwei Gruppen von Probanden eine bestimmte Tonfolge am Piano üben lassen.
Gruppe Nr. 1 übte am Morgen und wurde am Abend erneut getestet. Damit wurde geschaut, ob das Gehirn nicht doch schon am Tag die motorischen Fähigkeiten verbesserte.
Gruppe Nr. 2 übte am Abend und durfte anschließend eine Nacht mit 8 Stunden Schlaf genießen. Ein erneuter Test der Tonfolge am Piano folgte dann am Morgen.
Insgesamt hatten beide Gruppen zwischen den Tests eine Pause von etwa 12 Stunden, mit dem Unterschied, dass Gruppe Nr. 1 währenddessen wach geblieben ist und Gruppe Nr. 2 acht Stunden schlafen durfte.
Das Ergebnis: Gruppe Nr. 2 konnte die Tonfolge am Morgen um 20 % schneller und um 35 % genauer spielen. Bei Gruppe Nr. 1 zeigte sich am Abend keine nennenswerte Verbesserung.
Unser Körper ist damit zu etwas Magischem in der Lage: Er verbessert deine Fähigkeiten, ohne dass du dafür etwas tun musst. Weitere spannende Studien bestätigten diese Ergebnisse:
Ausreichend Schlaf führt zu einer wesentlichen Verbesserung der am Tag geübten Fähigkeiten. Dabei spielen erneut die Nicht-REM-Schlafphasen und hier besonders die Leichtschlafphase eine entscheidende Rolle. In den letzten zwei Stunden eines 8-Stunden Schlafs wechseln sich Leichtschlaf- und REM-Phase ab. Verkürzt du deinen Schlaf regelmäßig, nimmst du dir für deine motorische Weiterentwicklung wertvolle Zeit, dein Training ist weniger wirkungsvoll.
Der Spruch „if you don’t snooze, you loose“ („wenn du nicht schläfst, verlierst du“), stimmt und gilt nicht nur für Profisportler. Jede Fertigkeit, die du dir aneignest und mit Bewegung zu tun hat, braucht ausreichend Training und ausreichend Schlaf.
Interessante Info zum Schluss
Der Prozess des Lernens ist übrigens der Hauptgrund, warum Babys so viel schlafen und Schüler noch mehr Schlaf benötigen als Studenten. Für Babys ist quasi der ganze Tagesablauf neu. Kein Wunder also, dass sie zu Beginn ihres Lebens bis zu 19 Stunden am Tag schlafen (müssen).
Hinzu kommt, dass bei Babys nicht nur das Gehirn im Schlaf sehr aktiv ist. Sie wachsen darüber hinaus im Schlaf in den ersten Jahren besonders viel. Dies ist bei dir alles anders. Du wächst sehr wahrscheinlich nicht mehr und auch dein Gehirn muss sich in der Nacht mit weniger neuen Reizen auseinandersetzen als es früher noch der Fall war.
Deine Tagesabläufe ähneln sich, dein Gehirn weiß mittlerweile, was es bedeutet, sich die Zähne zu putzen, deine Umgebung ist vertraut, du kannst sprechen, etc. Ich denke, du weißt, worauf ich hinaus möchte.
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